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Ernst Weidner fortgeführt in Wien
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Prof. Dr. Hermann Hunger
- Geboren am 30. Juni 1942 in Bautzen, Österreich. Er ist der Sohn des Byzantinisten Herbert Hunger. WikipediaDeWiki
- Nach dem Abitur begann er 1960 ein Studium der Orientalistik an der Universität Wien. DeWikiWikipedia
- 1963/64 studierte er Assyriologie und Arabistik in Heidelberg, anschließend von 1964–1966 an der Universität Münster, wo er bei Wolfram von Soden promovierte (Thema: babylonische und assyrische Kolophone). DeWikiWikipedia
- Von 1967–1970 war er als Epigraphiker am Deutschen Archäologischen Institut in Bagdad tätig. DeWikiWikipedia
- Anschließend war er von 1970–1973 Research Associate an der University of Chicago und später bis 1976 Assistent am Institut für Orientalistik der Universität Wien, wo er auch habilitiert wurde. DeWikiWikipedia
- Zwischen 1976 und 1978 war er Associate Professor am Oriental Institute in Chicago. Ab 1978 bis zu seiner Emeritierung 2007 lehrte er als außerordentlicher Professor für Assyriologie an der Universität Wien. DeWikiWikipediaorientalistik.univie.ac.at
Forschungsbereiche & Mitgliedschaften
- Forschungsfokus: Geschichte der Astronomie, babylonische Astronomie- und Himmelsomen-Traditionen, Altorientalistik. oeaw.ac.atDeWiki
- Kooperationen: Frühe Zusammenarbeit mit Otto Neugebauer, Abraham Sachs; später mit David Pingree. Wichtiger Beitrag zum Chicago Assyrian Dictionary. DeWikiWikipedia
- Mitgliedschaften und Ämter:
- American Philosophical Society, Österreichische Akademie der Wissenschaften (u. a. Vorsitz in der Kommission für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin sowie der Mykenischen Kommission). DeWikiWikipedia
- Ehrenmitglied der American Oriental Society seit 2010. DeWikiWikipedia
- Mit-Herausgeber des „Archiv für Orientforschung“. DeWikiWikipedia
Bedeutende Veröffentlichungen
- Monografien & Editionen:
- Spätbabylonische Texte aus Uruk (1976) – seine Habilitationsschrift sowie Ausgrabungsband. WikipediaAustria-Forum
- Halley’s Comet in History (1985), gemeinsam mit F. R. Stephenson und C. B. F. Walker. WikipediaAustria-Forum
- MUL.APIN: An Astronomical Compendium in Cuneiform (1989), zusammen mit David Pingree. WikipediaAustria-Forum
- Astronomical Diaries and Related Texts from Babylonia – sieben Bände als Bearbeiter/Herausgeber (1988–2014). WikipediaAustria-Forum
- Astral Sciences in Mesopotamia (1999), gemeinsam mit Pingree im „Handbuch der Orientalistik“. WikipediaAustria-Forum
Astrological Reports to Assyrian Kings (1992). – Helsinki University Press, Helsinki 1992
Zusammenfassung: Prof. Hermann Hunger ist ein zentraler Vertreter der altorientalistischen Forschung, insbesondere der astronomischen Quellen Mesopotamiens. Seine wissenschaftliche Sorgfalt bei Edition, Übersetzung und Interpretation alter Keilschrifttexte war richtungsweisend – sei es bei Himmelsphänomenen wie Halleys Komet oder der Struktur der babylonischen Astronomie.
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Babylonische Astrologie in der Hellenistischen Astrologie
Die Übertragung babylonischer astrologischer Praktiken in die hellenistische Welt stellt einen fundamentalen Wendepunkt in der Geschichte der westlichen Astrologie dar. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Rolle von Berossos, einem babylonischen Priester und Astronomen des 3. Jahrhunderts v. Chr., dessen Werke maßgeblich zur Integration babylonischen Wissens in die griechische Kultur beitrugen.
1. Berossos: Der babylonische Vermittler
Berossos, ein Priester des Bel Marduk, verfasste um 290–278 v. Chr. in griechischer Sprache das Werk Babyloniaca, eine Geschichte Babyloniens, die auch astrologische Inhalte umfasste. Dieses Werk wurde später von Autoren wie Plinius dem Älteren, Seneca und Vitruvius zitiert und trug dazu bei, babylonisches astrologisches Wissen in die griechische Welt zu übermitteln Wikipedia.
Einige antike Quellen berichten, dass Berossos eine Schule der Astronomie auf der Insel Kos gründete, was seine Rolle als Lehrer und Vermittler von Babylonischem Wissen unterstreicht Wikipedia.
2. Die babylonischen Ursprünge der hellenistischen Astrologie
Babylonische Astronomen entwickelten bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. komplexe Systeme zur Himmelsbeobachtung und -deutung. Diese beinhalteten unter anderem die Erstellung von Horoskopen, die Deutung von Mond- und Sonnenfinsternissen sowie die Anwendung von Omen. Francesca Rochberg beschreibt in ihrem Werk Babylonian Astral Science in the Hellenistic World (2010), wie diese Traditionen in die hellenistische Welt übertragen und dort weiterentwickelt wurden Open Access LMU.
3. Die Synthese in der hellenistischen Astrologie
In der hellenistischen Astrologie wurden babylonische Techniken mit griechischen philosophischen Konzepten kombiniert. So wurden beispielsweise die babylonischen Tierkreiszeichen in das griechische astrologische System integriert. David Pingree betont in seinem Werk From Astral Omens to Astrology (1997), dass diese Synthese nicht nur eine Übernahme, sondern eine kreative Weiterentwicklung darstellt Google Bücher.
4. Konkrete Beispiele der Übernahme
Ein konkretes Beispiel für die Übernahme babylonischer Techniken ist das System der „Terms“ (auch „Chiliads“ genannt). Alexander Jones und John Steele identifizierten in babylonischen Keilschrifttexten Hinweise auf dieses System, das später in der griechischen Astrologie verwendet wurde. Diese Entdeckung zeigt, wie spezifische astrologische Konzepte über Kulturen hinweg übertragen wurden mc.dlib.nyu.edu.
5. Methodologische Herausforderungen
Die Analyse der Quellen gestaltet sich aufgrund der unterschiedlichen Schriften (Keilschrift, Griechisch, Arabisch) und der teils fragmentarischen Überlieferung schwierig. Neuere philologische Studien, wie die von A. Pilloni (2024), bieten jedoch neue Interpretationen und Hypothesen zu astrologischen Begriffen und Systemen in babylonischen Horoskopen Open Access LMU.
6. Neuere Perspektiven
Francesca Rochberg hat ihre Forschungen in den letzten Jahren weiter vertieft. In neueren Arbeiten, wie in Worldmaking and Cuneiform Antiquity (2024), reflektiert sie über die kulturellen und ideologischen Hintergründe der babylonischen Astrologie und deren Einfluss auf spätere Traditionen. Sie betont die Eigenständigkeit der babylonischen Praktiken und warnt vor einer zu starken Betonung der griechischen Übernahme.
Quellen
- Berossos: Wikipedia-Artikel
- Francesca Rochberg, Babylonian Astral Science in the Hellenistic World: PDF-Version
- David Pingree, From Astral Omens to Astrology: Buchbeschreibung
- Alexander Jones & John Steele: A New Discovery of a Component of Greek Astrology in Babylonian Tablets: The “Terms”: Link zum Artikel
- A. Pilloni: The Astrological Schemes Behind bīt niṣirtu and KI in the Babylonian Horoscopes
Die Rolle von Berossos als Vermittler zwischen Babylon und Griechenland war entscheidend für die Entstehung der hellenistischen Astrologie. Sein Werk und seine Lehren trugen maßgeblich dazu bei, dass babylonisches astrologisches Wissen in die griechische Welt integriert und dort weiterentwickelt wurde
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Ashurbanipal als früher Kabbalist
1993 – Simo Parpola positioniert in „Mesopotamian Astrology and Astronomy as Domains of the Mesopotamian ‚Wisdom‘“ Astronomie und Astrologie als Kern der mesopotamischen Weisheit („nēmequ“), nutzt assyrische Bibliotheken aus Ninive und beleuchtet Omen-Interpretationen durch „tupšarrū“, wobei er Übergänge zu Prophetie und hethitische Einflüsse aufzeigt.
Die Kabbalah in ihrer bekannten Gestalt, mit dem Baum der Sephiroth, den Emanationen und den mystischen Deutungen der Tora, tritt historisch erst im Mittelalter auf, im jüdischen Umfeld der Provence und Spaniens im 12. und 13. Jahrhundert. Für die Zeit um 1000 vor Christus in Mesopotamien gibt es keine Kabbalah. Dennoch lassen sich dort kulturelle und religiöse Strömungen finden, die wie ferne Vorstufen oder geistige Quellen wirken und auf das spätere jüdische Denken eingewirkt haben.
In Mesopotamien entwickelte sich ein reiches System von Kosmologie, Astronomie und Astrologie, das eng mit religiösen Vorstellungen verflochten war. Tempelgelehrte bewahrten Texte, die den Lauf der Planeten, Sternbilder, Omina und Rituale beschrieben. Diese geheimen Wissensbestände, oft nur Priestern zugänglich, prägten über Jahrhunderte hinweg die Kultur des Vorderen Orients. Als die Juden im 6. Jahrhundert v. Chr. ins babylonische Exil gelangten, trafen sie auf diese geistige Welt, und vieles davon floss in ihr eigenes Denken ein.
Mehrere Parallelen fallen auf. Die mesopotamische Idee einer gestuften Weltordnung mit Himmel, Erde und Unterwelt erinnert an die späteren kabbalistischen Lehren von den Ebenen der Schöpfung und den Emanationen. Die Zahlensymbolik war ebenfalls ausgeprägt: die Sieben der Planeten, die Zwölf des Tierkreises, die Sechzig als göttliche Maßzahl. Auch in jüdischen Schriften wie dem Sefer Jezira, das als Vorläufer der Kabbalah gilt, tauchen solche Zahlenspekulationen wieder auf. Hinzu kommt die Symbolik des Weltenbaumes oder der kosmischen Achse, die in Mesopotamien das Band zwischen Himmel und Erde darstellte und die später im Baum des Lebens der Kabbalisten eine neue Gestalt annahm.
So kann man sagen: Um 1000 vor Christus existierte in Mesopotamien keine Kabbalah, wohl aber eine religiöse Symbolsprache und eine geheimnisvolle Wissenschaft von Zahlen, Sternen und göttlichen Kräften, die auf lange Sicht den Boden bereitete, aus dem Jahrhunderte später die jüdische Mystik und schließlich die Kabbalah hervorgingen.
Ashurbanipal hatte Zugang zu geheimbewahrtem Wissen: Die Priester und Schreiber Mesopotamiens bewahrten astronomische, astrologische, magische und ritualisierte Texte, die nur bestimmten Kreisen zugänglich waren. Ashurbanipal konnte selbst keilschriftlich lesen, wodurch er direkten Zugang zu diesem „geheimen Wissen“ hatte. Man könnte dies metaphorisch als eine Form von „Einweihung“ im Sinne des Erlernens geheimer Schriften sehen, doch das ist eine moderne Interpretation, kein historisch belegter Ritualakt.
Er war intellektuell initiiert, indem er die Bibliothek von Ninive anlegte, die systematisch mythologische, magische, astrologische und medizinische Texte sammelte. Dies zeigt, dass er das Wissen seiner Zeit nicht nur beherrschte, sondern auch strukturierte und konservierte – was in der modernen Esoterik manchmal als „mystische Einsicht“ gedeutet wird, obwohl es historisch eher eine gelehrte Tätigkeit war.
Fazit: Es gibt keinen Beleg dafür, dass Ashurbanipal Initiationsriten oder okkulte Einweihungen durchlief. Alles, was man von ihm als „esoterisch“ bezeichnen könnte, ist die außergewöhnliche Fähigkeit, komplexe und geheime Wissenssysteme selbst zu lesen und zu sammeln. Historisch korrekt formuliert: Er war ein gelehrter Herrscher mit Zugang zu exklusivem Wissen, aber kein „Eingeweihter“ im rituellen Sinn.
Ashurbanipal hinterließ tatsächlich Keilschrifttexte, in denen er seine eigene Bildung und Erziehung thematisiert, und dabei wird häufig Adapa als Bezugspunkt genannt. Das ist sehr interessant, weil es einen direkten Einblick in das Selbstverständnis eines assyrischen Königs als Gelehrter gibt.
Adapa ist eine mythische Gestalt in der mesopotamischen Literatur, bekannt als weiser Mensch, der von Ea (Enki) unterrichtet wurde und großes Wissen erhielt, insbesondere über Rituale, magische Praktiken und himmlische Zeichen. In einigen Texten wird Adapa als der archetypische „gelehrte Mensch“ dargestellt, dessen Wissen später auf Menschen wie Ashurbanipal übertragen werden kann.
In den betreffenden Keilschrifttexten schildert Ashurbanipal, dass er in jungen Jahren systematisch unterrichtet wurde, dass er Lesen, Schreiben, Astronomie, Religion und das Wissen über Rituale erlernte. Er sieht sich selbst in der Tradition der großen Weisen Mesopotamiens und stellt einen direkten ideellen Zusammenhang zu Adapa her: so wie Adapa von den Göttern Wissen empfing, so habe auch er (Ashurbanipal) das Wissen der Schreiber und Priester erlernt.
Dies kann man als symbolische oder ideelle Einweihung betrachten: Er sah sich nicht nur als politischer Herrscher, sondern auch als Bewahrer und Ausübender des heiligen Wissens, das traditionell nur Priestern und Gelehrten zugänglich war. Historisch ist das eine gebildete Königspropaganda, aber es zeigt sehr wohl, dass Ashurbanipal die mesopotamische Vorstellung von „Einweihung ins geheime Wissen“ auf sich selbst bezog – nur eben in einem sehr literarischen, ideellen Rahmen, nicht als rituelles Mysterium, wie man es aus späteren okkulten Traditionen kennt.
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Das 3. Grazer Symposion 1991 – Die Rolle der Astronomie in den Kulturen Mesopotamiens – Ein umfassender Überblick
Das 3. Grazer Morgenländische Symposion 1991, das vom 23. bis 27. September in Graz stattfand, widmete sich dem Thema „Die Rolle der Astronomie in den Kulturen Mesopotamiens“ und markierte den hundertsten Jahrestag der Gründung der Assyriologie als Disziplin sowie den Geburtstag des Pioniers Ernst Weidner (1891–1976). Organisiert von Hannes D. Galter, brachte es internationale Experten zusammen, um die astronomischen Praktiken Mesopotamiens – von Babylonien und Assyrien bis hin zu ihren Einflüssen auf benachbarte Kulturen wie die Hethiter, Griechen und Juden – zu beleuchten. Der Fokus lag auf der Schnittstelle zwischen Astronomie, Astrologie, Religion und Wissenschaft, wobei mesopotamische Texte wie Keilschrifttafeln aus Enūma Anu Enlil oder MUL.APIN zentral waren. Die Beiträge wurden 1993 als Sammelband Die Rolle der Astronomie in den Kulturen Mesopotamiens veröffentlicht, ein zweisprachiges (Deutsch/Englisch) Werk mit etwa 449 Seiten, das eine Einleitung, 25 wissenschaftliche Referate, eine umfassende Bibliografie zur babylonischen Astronomie und Astrologie sowie Abbildungen von Tafeln und Diagrammen enthält. Die Publikation beleuchtet die Entwicklung, Bedeutung und Anwendung der mesopotamischen Astronomie in verschiedenen kulturellen Kontexten, von der babylonischen Zeit bis in spätere Epochen, und behandelt die Rolle von Priester-Scholaren, die systematische Beobachtungen und Aufzeichnungen von planetarischen und himmlischen Erscheinungen anfertigten, sowie die Integration astronomischer Kenntnisse in Kultur und Religion. Zu den Themen zählen keilschriftliche astronomische Texte, die Struktur und Funktion astronomischer Wissensbereiche, historische Dokumentationen von Ereignissen – einschließlich politischer und wirtschaftlicher Chroniken mit astronomischem Bezug – und die systematische Nutzung solcher Daten. Leider sind die einzelnen Referate nicht vollständig online abrufbar, doch das Inhaltsverzeichnis und bibliographische Informationen finden sich in Katalogen wie dem der Universität Heidelberg oder der Deutschen Digitalen Bibliothek; für tiefergehende Analysen ist der Erwerb oder die Einsicht in die Druckschrift empfehlenswert.
Die Beiträge gliedern sich thematisch in biografische und historiografische Einführungen, kulturelle und religiöse Kontexte, wissenschaftliche Methoden und Beobachtungstechniken, spezifische Artefakte und Texte sowie Diffusion und Rezeption in anderen Kulturen. Zentrale Referenten wie Francesca Rochberg, Simo Parpola, Hermann Hunger und David Pingree, etablierte Experten der Assyriologie und Wissenschaftsgeschichte, unterstreichen die Hybridität der mesopotamischen Astronomie: empirisch-beobachtend und mathematisch modelliert, doch stark mit Astrologie, Prophetie und Propaganda verknüpft. Schlüsselthemen umfassen die historischen Grundlagen der assyrisch-babylonischen Gelehrsamkeit und Pioniere wie Weidner, die kulturelle Integration der Astronomie als Teil der „Weisheitstradition“ (nēmequ) in Tempeln und Ritualen, wissenschaftliche Praktiken wie Beobachtungstexte (z. B. Diaries, MUL.APIN), arithmetische Modelle und Vorhersagen (etwa der Saros-Zyklus für Finsternisse), spezifische Phänomene wie Planeten (Venus), Kometen, Sternbilder und Omen-Interpretationen sowie Einflüsse auf griechische Astronomie (bei Ptolemäus), hethitische Astrologie und biblische Texte. Methodische Analysen reichen von Editionen von Tafeln über Etymologie von Sternnamen bis zu metrologischen Tabellen. Die Beiträge stützen sich auf Primärquellen wie Keilschrifttafeln aus Ninive, Babylon und Uruk, ergänzt durch moderne Rekonstruktionen mit Computermodellen.
Der Band eröffnet mit einem Vorwort und Inhaltsverzeichnis, gefolgt von einer Einleitung. Kurt Jaritz widmet sich in „Ernst Weidner – Gelehrter und Mensch“ einem biografischen Rückblick auf Weidner, der babylonische astronomische Texte wie Mond- und Planetenomen edierte, und betont dessen humanistische Haltung sowie seinen Beitrag zur Dechiffrierung von Keilschriften, was das Symposion als Hommage rahmt; Weidners Werk legte Grundlagen für die moderne Assyriologie. Erle Leichty erörtert in „The Origins of Scholarship“ die Entstehung assyrisch-babylonischer Wissenssysteme, mit Fokus auf astronomische Schulen in Nippur und Babylon, und analysiert Tempelarchive, um zu zeigen, wie „ēdu“-Traditionen (Schriftkunst) die Wissensübertragung über Generationen ermöglichten, basierend auf Tafeln aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Francesca Rochberg untersucht in „The Cultural Locus of Astronomy in Late Babylonia“ den kulturellen Rahmen der Astronomie in der Spätbabylonischen Periode (626–539 v. Chr.), verknüpft mit Divination in Tempeln wie Esagila, und diskutiert Diaries und Goal-Year-Texts als Beispiele für „celestial divination“; sie kommt zu dem Ergebnis, dass Astronomie religiös verankert war und Kontinuität in die hellenistische Zeit aufwies. Simo Parpola positioniert in „Mesopotamian Astrology and Astronomy as Domains of the Mesopotamian ‚Wisdom‘“ Astronomie und Astrologie als Kern der mesopotamischen Weisheit („nēmequ“), nutzt assyrische Bibliotheken aus Ninive und beleuchtet Omen-Interpretationen durch „tupšarrū“, wobei er Übergänge zu Prophetie und hethitische Einflüsse aufzeigt.
John P. Britton analysiert in „Scientific Astronomy in Pre-Seleucid Babylon“ prä-seleukidische Methoden (vor 312 v. Chr.), einschließlich Mondphasen- und Planetenmodelle, und verwendet ACT 200, um für eine proto-wissenschaftliche Arithmetik zu argumentieren, die unabhängig von Astrologie existierte und hohe Präzision in Vorhersagen erreichte, was er mathematisch nachweist. Alexander Jones belegt in „Evidence for Babylonian Arithmetical Schemes in Greek Astronomy“ babylonische Einflüsse auf Griechenland, etwa durch Tabellen in Ptolemäus‘ Almagest, und vergleicht Sternpositionen sowie Seleukiden-Übertragungen, um mathematische Diffusion zu unterstreichen. Gerd Graßhoff vergleicht in „The Babylonian Tradition of Celestial Phenomena and Ptolemy’s Fixed Star Calendar“ babylonische Diaries mit Ptolemäus‘ Katalog, rekonstruiert Kalender und Präzessionskorrekturen und zeigt, wie babylonische Daten griechische Modelle formten. Jozef de Kuyper erörtert in „Mesopotamian Astronomy and Astrology as Seen by Greek Literature: The Chaldaeans“ griechische Stereotype der „Chaldaeer“ (bei Herodot) und reale Einflüsse in hellenistischen Texten, wobei er Mythos und Wissenschaft ausbalanciert.
Hermann Hunger editiert und analysiert in „Astronomische Beobachtungen in neubabylonischer Zeit“ neubabylonische Texte wie die Venus-Tablets, hebt systematische Aufzeichnungen von Finsternissen und Planetenbewegungen hervor und diskutiert methodische Fortschritte in der Beobachtung. Wayne Horowitz interpretiert in „The Reverse of the Neo-Assyrian Planisphere CT 3311“ die Rückseite der assyrischen Himmelskarte CT 3311 als kosmologisches Diagramm, verknüpft es mit Enūma Eliš und betont mythologische Aspekte der Astronomie. Robert Chadwick identifiziert in „Identifying Comets and Meteors in Celestial Observation Literature“ Kometen und Meteore in babylonischen Texten als Omen, datiert sie mit moderner Astronomie und diskutiert deren göttliche Interpretationen als Zeichen. Johannes Koch rekonstruiert in „Das Sternbild mul mas-tab-ba-tur-tur“ das Sternbild („Kleiner Wagen“) aus MUL.APIN und zeigt regionale Varianten in Katalogen. Vladimir S. Tuman datiert in „Astronomical Dating of Observed and Recorded Events in V R 46“ Ereignisse in der Tafel V R 46 mittels Software, korrigiert Chronologien (z. B. in der Kambyses-Ära) und verbindet sie mit historischen Daten.
Gerd Steiner beschreibt in „Ein Bolid in Anatolien als Manifestation einer Gottheit“ einen historischen Boliden (Feuerkugel) in anatolischen Texten als göttliches Zeichen, mit hethitischen Ritualen und mesopotamischen Parallelen.
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Mesopotamian Astrology at Hattusas
Ulla Koch-Westenholz analysiert in „Mesopotamian Astrology at Hattusas“ hethitische Adaptionen mesopotamischer Astrologie in Ḫattuša (1600–1180 v. Chr.), einschließlich Mondkalender-Anpassungen und Sonnengottheiten, und zeigt kulturellen Transfer sowie Rituale zur Synchronisation mit Jahreszeiten.
Hattusa (Ḫattuša) war die Hauptstadt des hethitischen Reiches in der Bronzezeit (Die Bronzezeit umfasst eine geschichtliche Epoche von etwa 3000 v. Chr. bis ca. 1180 v. Chr., die durch die Nutzung von Bronze für Werkzeuge und Waffen gekennzeichnet ist.), gelegen im heutigen Zentralanatolien (Türkei). Die Hethiter verbanden eng Religion, Magie und politische Entscheidungen. Sie glaubten an einen komplexen Götterpantheon, und Priester sowie Zauberer spielten eine zentrale Rolle bei der Interpretation göttlicher Zeichen und magischer Rituale.
Astrologische und magische Praktiken waren fester Bestandteil ihrer Kultur, insbesondere bei wichtigen Staats- und militärischen Entscheidungen. Rituale wurden zur Beschwörung von Göttern und zum Schutz vor Feinden durchgeführt, und Flüche hatten eine bindende Kraft in Staatsverträgen. Die Hethiter nutzten unter anderem auch himmlische Zeichen zur Vorhersage des Schicksals von Königen und Reichen. Diese astrologisch-magischen Praktiken waren in Hattusa Teil der Gesamtreligion und Staatsführung, wobei bedeutende Tempel und Kultorte in der Stadt standen.wikipedia+3
Kurz gesagt: In Ḫattuša umfasste die Hattusa-Astrologie die Interpretation von himmlischen und göttlichen Zeichen als Teil der religiösen-magischen Praxis, mit großer Bedeutung für Politik und Alltag im hethitischen Reich.
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Walter Färber bietet in „Zur Orthographie von EAE 22: Neue Lesungen und Versuch einer Deutung“ neue Lesarten des Omen-Textes Enūma Anu Enlil Tafel 22, interpretiert Orthographie-Fehler und diskutiert Mondphasen als Vorhersagewerkzeuge. David Pingree rekonstruiert in „Venus Phenomena in Enūma Anu Enlil“ Venus-Zyklen in der Omen-Serie, zeigt indische Parallelen und betont globale Diffusion. Paul-Richard Berger untersucht in „Imaginäre Astrologie in spätbabylonischer Propaganda“ erfundene astrologische Omen in der Nabonid-Zeit, argumentiert, dass Herrscher Astrologie manipulierten, um Legitimität zu schaffen, und beleuchtet deren propagandistische Nutzung.
Albert Wolters findet in „An Allusion to Libra in Daniel 5“ eine Anspielung auf das Sternbild Waage (Libra) im Buch Daniel (Kapitel 5), verknüpft biblische Texte mit babylonischer Astronomie und diskutiert jüdische Adaptionen. Larissa Bobrova und Alexander Militarev etymologisieren in „From Mesopotamia to Greece: On the Origin of Semitic and Greek Star Names“ semitische und griechische Sternnamen (z. B. Sirius) aus proto-semitischen Wurzeln, mit Wanderungen via MUL.APIN und phonologischen Analysen. Lis Brack-Bernsen vergleicht in „Babylonische Mondtexte: Beobachtung und Theorie“ Mondbeobachtungen mit Theorien in Texten wie ACT -121, modelliert synodische Monatslängen und zeigt empirische Genauigkeit. Alice Slotsky revidiert in „The Uruk Solstice Scheme Revisited“ das Uruk-Solstice-Schema (Sonnenwende-Berechnungen) basierend auf Tafeln aus Uruk und argumentiert für frühe Kalenderreformen. Robert W. Bremner analysiert in „The Shadow Length Table in MULAPIN“ Schattentabellen für Äquinoktien, rekonstruiert Gnomon-Messungen und diskutiert metrologische Präzision. Jöran Friberg untersucht in „On the Structure of Cuneiform Metrological Table Texts from the 1st Millennium“ metrologische Tabellen für Winkel und Längen, zeigt strukturelle Muster in Texten des 1. Jahrtausends und ihre Anwendung in der Astronomie. Abschließend folgt eine „Bibliography of Babylonian Astronomy and Astrology“ mit über 500 Einträgen zu Primär- und Sekundärliteratur, sortiert nach Themen wie Omen und Planeten, die als wertvolles Referenzwerk dient.
Insgesamt unterstreicht dieses Symposion und der Band die mesopotamische Astronomie als Brücke zwischen Mythos, Religion und früher Wissenschaft: Beobachtungen dienten nicht nur der Prophetie, sondern legten Grundlagen für globale Traditionen, von Ptolemäus bis in die Moderne. Rezensionen loben die interdisziplinäre Tiefe, kritisieren vereinzelt fehlende Abbildungen, doch der Band bleibt ein Standardwerk für Assyriologie, Astronomiegeschichte und Kulturwissenschaften.
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Sumer
Die Sumerer waren im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. die erste städtische Hochkultur in Mesopotamien, mit Zentren wie Ur, Uruk, Lagasch, Nippur und Eridu. Im Verlauf des 3. Jahrtausends v. Chr. kamen immer wieder semitische Bevölkerungsgruppen in das Zweistromland – vor allem die Akkader. Sargon von Akkad (um 2334–2279 v. Chr.) unterwarf die sumerischen Stadtstaaten und begründete ein großes Reich. Dabei wurden Sumerer nicht ausgelöscht, sondern politisch unterworfen.
Später, nach dem Zusammenbruch des Akkadischen Reiches, erlebte Sumer noch einmal eine Blütezeit in der sogenannten Ur-III-Zeit (2112–2004 v. Chr.), mit der Dynastie von Ur, die eine regelrechte Restauration der sumerischen Kultur betrieb.
Erst nach 2000 v. Chr. setzten sich die Amoriter und später die Babylonier stärker durch. In dieser Zeit verschmolz die sumerische Sprache zunehmend mit dem Akkadischen. Im Alltag verschwand das Sumerische, blieb aber noch mehrere Jahrhunderte als Kult-, Wissenschafts- und Schriftsprache erhalten – ähnlich wie Latein im Mittelalter.
Man kann also sagen: Es gab keine Auslöschung der Sumerer durch Massaker oder Vernichtungskriege, sondern ein langsamer Prozess der Akkulturation und Assimilation, der dazu führte, dass das Sumerische schließlich nicht mehr gesprochen wurde. Die Sumerer gingen im babylonischen Kulturkreis auf.
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Die Babylonier
Die Babylonier waren ein Volk und zugleich eine kulturelle Epoche des alten Mesopotamien, das heißt des fruchtbaren Zweistromlandes zwischen Euphrat und Tigris. Sie sind vor allem dadurch bekannt geworden, dass die Stadt Babylon, ihre Hauptstadt, zum Symbol von Macht, Reichtum und hoher Zivilisation des Alten Orients wurde.
Die Babylonier waren ursprünglich keine ethnisch völlig einheitliche Gruppe, sondern formten sich aus den semitischen Akkadern, die um 2000 v. Chr. die sumerische Kultur im Süden Mesopotamiens ablösten, und aus zahlreichen anderen Bevölkerungselementen, die in diesem Raum lebten. Babylon selbst trat unter König Hammurapi (reg. ca. 1792–1750 v. Chr.) ins große historische Licht. Hammurapi schuf mit seinem Reich die erste bedeutende Blütezeit Babylons und ist bis heute berühmt durch seinen Gesetzeskodex, eine der ältesten erhaltenen Rechtssammlungen der Menschheit.
Die babylonische Kultur übernahm vieles aus der sumerischen Tradition: die Keilschrift, die Götterwelt, die Wissenschaften wie Mathematik, Astronomie und Astrologie. Gleichzeitig entwickelten die Babylonier ihre eigenen Eigenarten. Ihre Religion stellte den Stadtgott Marduk in den Mittelpunkt, der zum obersten Gott des babylonischen Pantheons aufstieg.
Historisch lässt sich Babylon in mehrere große Epochen gliedern. Das sogenannte Altbabylonische Reich mit Hammurapi endete im 16. Jahrhundert v. Chr. durch die Eroberung der Hethiter. Es folgten mittlere und neubabylonische Reiche. Besonders berühmt wurde die Neubabylonische Zeit im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. unter König Nebukadnezar II. (reg. 604–562 v. Chr.), der Babylon zu einer der prachtvollsten Städte des Altertums machte, mit den gewaltigen Stadtmauern, dem Ischtar-Tor und den legendären, später zu den Weltwundern gezählten „Hängenden Gärten“.
Die Babylonier zeichneten sich durch hochentwickelte Wissenschaften aus. Ihre Astronomie und Astrologie sind bis heute grundlegend für die abendländische Kulturgeschichte. Sie entwickelten das 60er-System, das unsere Einteilung von Stunde und Minute bestimmt, und führten präzise Beobachtungen der Planeten und Sterne durch. Auch Literatur wie das Gilgamesch-Epos lebte in babylonischer Form weiter.
Politisch verlor Babylon schließlich seine Selbstständigkeit durch die Eroberungen der Perser unter Kyros II. im Jahr 539 v. Chr. Später wurde die Stadt von Alexander dem Großen besetzt und verfiel allmählich. Doch die kulturelle Strahlkraft der Babylonier blieb über Jahrtausende lebendig – bis in die Bibel, wo „Babylon“ zum Symbol von Hochmut und Dekadenz, aber auch von einer vergangenen Hochkultur wurde.
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Konzept der „Erhöhung“ oder „Hypsoma“
In Mesopotamien gab es das Konzept der „Erhöhung“ oder „Hypsoma“ bereits, jedoch in etwas anderer, ursprünglicher Form. Dort bezeichnete man es als „geheimer Ort“ oder „verborgener Ort“ (akkadisch: ašar-nisirti oder bit-nisirti). Dieser Begriff markierte einen als besonders günstig geltenden Stand eines Planeten am Himmel, war aber ursprünglich noch nicht mit einem bestimmten Grad im Tierkreis verbunden, wie es später in der griechischen Tradition der Fall war.wikipedia
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Fixsternomina und Kometenomina
In Mesopotamien besaßen Fixstern- und Kometennomina eine zentrale Bedeutung, weil die Astralwissenschaft dort nicht nur mathematisch-astronomisch, sondern vor allem auch divinatorisch angelegt war. Die Namen, die den Fixsternen und Kometen gegeben wurden, waren nicht bloß neutrale Bezeichnungen, sondern trugen mythische, göttliche und omenhaft-symbolische Dimensionen.
Bei den Fixsternenomina handelt es sich um die systematischen Benennungen von Sternen und Sternbildern in den Keilschriftquellen. Schon im späten 3. Jahrtausend v. Chr. beginnen die Sumerer und Akkader, einzelne Sterne mit Göttern oder symbolischen Gestalten gleichzusetzen. Besonders wichtig ist die Serie MUL.APIN (benannt nach dem Stern „MUL.APIN“ = „Pflugstern“, gemeint ist das Sternbild Triangulum + Gamma Arietis). Diese astronomisch-astrologische Kompilation aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. sammelt das traditionelle Wissen über Sternaufgänge, Jahreszeiten und Kalenderbezüge und enthält über hundert Sternnamen. Die Nomen sind dabei nicht abstrakt, sondern in enger Beziehung zu Gottheiten und mythischen Vorstellungen. Beispiele: der Stern MUL.DILBAT entspricht der Venus, MUL.MUL ist das Sternbild der Plejaden, MUL.SIPA.ZI.AN.NA ist der Orion („Der treue Hirte des Himmels“). Die Fixsternomina sind zugleich Theonyme, weil der Himmel als Abbild der göttlichen Ordnung galt.
Man unterschied Hauptsterne, die als Leitsterne für den Kalender und die Agrarzyklen dienten, sowie ganze Sternbilder, die oft nach Göttern oder mythischen Wesen benannt wurden. Die Fixsternomina erfüllten eine doppelte Funktion: einerseits ordneten sie den Himmel und ermöglichten Orientierung und Kalenderwesen, andererseits waren sie Teil des Omenwesens, da die Stellung und Helligkeit bestimmter Sterne als Vorzeichen gedeutet wurden.
Bei den Kometenomina handelt es sich um Bezeichnungen für Erscheinungen, die wir heute als Kometen und ungewöhnliche Himmelsphänomene (auch Nova, Supernova, Meteore) bezeichnen würden. In den mesopotamischen Omentexten erscheinen sie als „schweifende Sterne“ oder „Sterne mit Haaren“. Besonders der Ausdruck MUL ŠU.PA oder Kakkabu ša ṣēni („Stern mit Schweif/Haaren“) bezeichnet den Kometen. Die Babylonier betrachteten Kometen stets als Sonderphänomene, die keine festen zyklischen Bewegungen wie die Planeten hatten, sondern als göttliche Eingriffe verstanden wurden. Anders als Fixsterne, deren Nomen im festen System verankert war, erscheinen die Kometenomina meist beschreibend und omenhaft: „Stern, der wie Rauch steht“, „Stern, der sich zerstreut“, „Stern mit langem Schweif“.
In der Serie Enūma Anu Enlil, der großen Sammlung von Himmelsomen (ab dem 2. Jahrtausend v. Chr.), sind zahlreiche solcher Beschreibungen enthalten. Ein Komet am Himmel galt fast immer als Vorzeichen von Krieg, Herrscherwechsel oder Katastrophen. Seine Benennung war daher nie neutral, sondern sofort in die Sprache des Omens eingebettet. Während Fixsternomina kosmische Ordnung und göttliche Struktur bezeichneten, standen Kometenomina für das Durchbrechen dieser Ordnung, das plötzliche Auftauchen des Unberechenbaren.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die mesopotamischen Fixsternomina bildeten ein hochdifferenziertes, kanonisches System, das Sternbilder und einzelne Sterne durch mythologisch-göttliche Namen fassbar machte. Die Kometenomina hingegen waren situativ, beschreibend und omenorientiert, sie kennzeichneten Sondererscheinungen als Zeichen des Himmels mit unmittelbarer Botschaft für das Schicksal von König und Reich. In beiden Fällen zeigt sich, dass die Benennung nicht primär wissenschaftlich im modernen Sinne war, sondern immer im Rahmen einer symbolisch-divinatorischen Weltsicht stand, in der Himmelskörper als handelnde göttliche Instanzen gedacht wurden.
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Prof. Dr. Ulla Koch-Westenholz – Mesopotamian Astrology: An Introduction to Babylonian & Assyrian Celestial Divination, Cni 19 –

Assurbanipal
https://de.wikipedia.org/wiki/Aššur-bāni-apli – seine Bibliothek – https://de.wikipedia.org/wiki/Bibliothek_des_Aššurbanipal
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Das assyrische Reich und die babylonische Astronomie sind eng miteinander verbunden, da beide im kulturellen Rahmen Mesopotamiens stehen. Überblick in geschichtlicher, astronomisch-astrologischer und religiös-kultureller Hinsicht:
1. Historischer Rahmen
- Altassyrisches Reich (ca. 2000–1750 v. Chr.): Handelskolonie Kültepe (Kanes/Kaneš), aber noch keine große Rolle in der Astronomie.
- Mittelassyrisches Reich (ca. 1400–1000 v. Chr.): Beginn engerer Kontakte mit Babylonien. Babylon war das geistige Zentrum, Assyrien übernahm viel.
- Neuassyrisches Reich (ca. 900–612 v. Chr.): Höhepunkt der politischen Macht. Hauptstadt Ninive wurde unter Assurbanipal auch zu einem kulturellen Zentrum. Seine Bibliothek enthielt zahlreiche babylonische astronomisch-astrologische Tafeln.
2. Babylonische Astronomie
Die Babylonier entwickelten eine systematische Himmelskunde des Altertums.
- Keilschrift-Tafeln: Astronomische Tagebücher, Himmelsbeobachtungen über Jahrhunderte.
- Zyklus-Erkenntnisse: Sie erkannten die Saros-Periode (≈18 Jahre, 11 Tage) für Sonnen- und Mondfinsternisse.
- Mathematische Astronomie: Ab dem 6. Jh. v. Chr. verwendeten sie Tabellen zur Berechnung von Planetenpositionen.
- Tierkreis: Im 5. Jh. v. Chr. bildeten sie den uns bekannten Tierkreis mit 12 gleich großen Zeichen zu je 30°.
3. Astrologie und Religion
- Babylonische Astrologie: Von Anfang an eng mit Religion und Politik verknüpft.
- „Enūma Anu Enlil“ (ca. 1600 v. Chr. kompiliert, später erweitert): eine Sammlung von über 7.000 Omina (Vorzeichen), die Himmelsereignisse mit irdischen Konsequenzen verband.
- Beispiel: „Wenn Venus im Westen hell auftritt, wird Frieden im Land sein.“
- Königs- und Staatsastrologie: In Assyrien besonders wichtig, weil die Herrschaftsideologie religiös gestützt war. Himmelszeichen galten als direkte Botschaften der Götter (vor allem Marduk, Šamaš, Sin).
4. Assyrische Rezeption
- Die Neuassyrischen Könige (Assarhaddon, Assurbanipal) beschäftigten ganze Kollegien von āšipu (Beschwörern) und ṭupšarru (Schreibern/Astrologen).
- Ninive: Die Bibliothek Assurbanipals (7. Jh. v. Chr.) enthält viele Tafeln zur Astronomie/Astrologie – größtenteils Kopien babylonischer Originale.
- Assyrische Könige ließen sich täglich astronomisch-astrologische Berichte vorlegen. Besonders die Deutung von Finsternissen war zentral, weil sie als Zeichen für Königsheil oder Unheil galten.
Assurbanipal regierte nicht in Babylon, setzte aber 668 seinen Bruder als König dort ein. Das Experiment klappte nicht: 652 machte der Bruder einen Aufstand, den Assurbanipal erst 648 niederschlagen konnte (mit einer neuerlichen Eroberung Babylons).
5. Wirkungsgeschichte
Sargon II. ließ sich zum König von Babylon krönen, erst nachdem er die Herrschaft militärisch errungen hatte; bis 710 gab es einen Chaldäer als König von Babylon.
- Nach dem Fall des Assyrischen Reiches (612 v. Chr.) blieb Babylon das geistige Zentrum.
- Spätere griechische Astronomen (Hipparchos, Ptolemäus) bauten auf babylonischen Tafeln auf.
- Die babylonisch-assyrische Astronomie wurde zum Fundament der hellenistischen, römischen und mittelalterlichen Himmelskunde.
Zusammengefasst:
Das Assyrische Reich war vor allem ein politisch-militärisches Imperium, das sich das astronomisch-astrologische Wissen der Babylonier aneignete und systematisch für Staatszwecke nutzte. Die Babylonier hingegen waren die eigentlichen Schöpfer der astronomischen Tradition, die später weltweit wirkte.
die große Keilschriftsammlung astrologischer Omen, die im assyrisch-babylonischen Kulturraum den Kern der Mantik ausmachte.
Das zentrale Werk ist:
Enūma Anu Enlil (EAE)
- Entstehung: vermutlich ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. (altbabylonische Zeit), endgültige Redaktion im 1. Jahrtausend v. Chr.
- Umfang: ca. 70–100 Tafeln (je nach Rekonstruktion), mit über 7.000 einzelnen Omina.
- Inhalt: systematische Sammlung von Vorzeichen, die aus Himmelserscheinungen abgeleitet werden.
- Mond: Gestalt, Finsternisse, Halo, Auf- und Untergangsorte.
- Sonne: Sonnenfinsternisse, besondere Erscheinungen.
- Planeten: Venus (Dilbat), Mars (Nergal), Merkur (Nabu), Jupiter (Marduk), Saturn (Ninurta).
- Wetter- und Himmelsphänomene: Regen, Donner, Blitze, Wolkenbilder.
- Form: Fast immer in der Struktur „Wenn …, dann …“.
- Beispiel: „Wenn der Mond im ersten Tag des Monats einen Ring trägt: der König wird von seinem Thron gestürzt werden.“
- Omina konnten sich auf König, Staat, Feinde, Ernte, Krankheiten beziehen.
Weitere omenbezogene Serien
Neben dem Enūma Anu Enlil gab es noch andere große Serien:
- Šumma Ālu ina mēlê šakin („Wenn eine Stadt auf einer Anhöhe liegt…“) – eine Sammlung von über 100 Tafeln mit Omina aus Alltagsbeobachtungen, Träumen, Tieren, Menschen.
- Iqqur īpuš („Er hat ein Haus gebaut“) – Omina aus Bauhandlungen und Architektur.
- Šumma izbu – Omina aus Missbildungen bei Mensch und Tier.
- Alamdimmû – Physiognomik (Aussehen und Charakter).
Assyrische Rezeption
- Unter den Neuassyrischen Königen (8.–7. Jh. v. Chr.) wurden Abschriften dieser Serien in den Palastbibliotheken gesammelt (vor allem in Ninive, Bibliothek Assurbanipals).
- Astrologen berichteten fast täglich anhand des Enūma Anu Enlil über Beobachtungen (z. B. Finsternisse, ungewöhnliche Venus-Positionen).
- Diese Omenliteratur war also staatlich-institutionalisiert.
Bedeutung
- Das Enūma Anu Enlil ist die älteste bekannte systematische Sammlung von Himmelsomen.
- Es bildet die Grundlage für die spätere Entwicklung der Astrologie: zuerst Staatsastrologie, später auch individuelle Horoskopie (ab 5. Jh. v. Chr. in Babylon).
Entwicklung der babylonischen Astronomie in einer Paralleldarstellung mit den Phasen des Assyrischen Reichs
1. Frühphase (ca. 2000–1500 v. Chr.)
Assyrien:
- Altassyrisches Reich mit Zentrum in Assur; Handelskolonien in Anatolien (Kaneš/Kültepe).
- Politisch eher ein Stadtstaat, keine Großmacht.
Astronomie:
- In Babylonien: erste Sammlung von Omen-Texten, z. B. Enūma Anu Enlil (Grundlage für Jahrhunderte).
- Beobachtung der Planeten, des Mondlaufs und von Sonnen- und Mondfinsternissen.
- Astronomie noch stark „priesterlich“ eingebunden, d. h. Ziel: Deutung für König und Reich.
- Keine mathematischen Berechnungen, sondern reine Beobachtung und Interpretation.
2. Mittelphase (ca. 1500–1000 v. Chr.)
Assyrien:
- Mittelassyrisches Reich, Ausdehnung bis Syrien, kurzzeitig Großmacht.
- Machtverlust ab ca. 1100 v. Chr. → Rückfall auf regionale Bedeutung.
Astronomie:
- Festigung der Tradition der Omenliteratur.
- Systematische Aufzeichnung von Himmelsphänomenen durch königliche Gelehrte (Beschwörer, Baru-Priester).
- Finsternisse werden genau dokumentiert, weil sie als unmittelbare Königsomen galten.
- Erste Versuche, Regelmäßigkeiten im Planetenlauf zu erkennen, jedoch noch nicht als Rechenastronomie.
3. Neuassyrische Großmachtzeit (ca. 900–612 v. Chr.)
Assyrien:
- Aufstieg zur Weltmacht (Tiglath-Pileser III., Sargon II., Sennacherib, Assurbanipal).
- Hauptstadtwechsel: Assur → Nimrud → Ninive.
- Imperium von Ägypten bis Iran.
- Untergang 612 v. Chr. (Zerstörung Ninives durch Meder und Babylonier).
Astronomie:
- Hier beginnt die systematische Aufzeichnung der „astronomischen Tagebücher“ in Babylon (ab 8. Jh.).
- Enge Verbindung zwischen assyrischen Königen und babylonischen Gelehrten.
- Assurbanipal lässt umfangreiche Bibliotheken in Ninive anlegen (Kopien babylonischer astronomischer Texte → Keilschrifttafeln).
- Beginn einer Art „Astronomenkaste“, die regelmäßige Beobachtungen (Planetenstände, Wetter, Preise, Flusspegel) anfertigt → Keimzelle der späteren mathematischen Astronomie.
- Astronomie wird hier professionalisiert.
4. Übergang: Spätbabylonisch und nachassyrische Zeit (ca. 612–300 v. Chr.)
Assyrien:
- Reich zerfällt, Babylonier übernehmen Vorherrschaft (Neubabylonisches Reich, 626–539 v. Chr.).
- Danach Perserherrschaft (Achämeniden), später Alexander und die Seleukiden.
Astronomie:
- Unter den Neubabyloniern (Nabopolassar, Nebukadnezar II.) erreicht die babylonische Astronomie eine Blüte.
- Beginn der mathematischen Astronomie: Verwendung von arithmetischen Verfahren zur Berechnung von Planetenbewegungen.
- Entwicklung der Saros-Zyklen zur Finsternisberechnung.
- Ab Seleukidenzeit (ab 300 v. Chr.): die klassischen babylonischen Tafeln mit Berechnungsalgorithmen (System A und System B).
- Diese Ergebnisse beeinflussen später die Griechen (Hipparch, Ptolemaios).
Zusammenfassung (Parallelverlauf)
- Altassyrisch (2000–1500): Babylonische Astronomie = Beginn der Omenliteratur.
- Mittelassyrisch (1500–1000): Ausbau der Omen und Beobachtungen, keine Mathematik.
- Neuassyrisch (900–612): Professionalisierung; astronomische Tagebücher beginnen; Bibliotheken in Ninive sichern babylonisches Wissen.
- Nach Assyrien (612–300): Höhepunkt in Babylon: Mathematik, Zyklen, systematische Berechnungen.
Das bedeutet: Die großen Fortschritte der babylonischen Astronomie fallen nicht in die frühe, sondern vor allem in die späte assyrische und nach-assyrische Epoche. Assyrien selbst war Träger und Vermittler, aber Babylonien das eigentliche Zentrum der Entwicklung.
Babylon als Stadt und Zentrum
- Stadtgründung: Babylon existierte schon im 3. Jahrtausend v. Chr., wurde aber erst mit Hammurabi (ca. 1792–1750 v. Chr.) wirklich zur Großmacht.
- Status: Anders als Assur oder Ninive war Babylon kein „Kriegsstaat“, sondern ein kulturelles und religiöses Zentrum.
- Tempel: Vor allem der Tempel des Marduk (Esagila) und der „Turm zu Babel“ (Zikkurat Etemenanki) waren wichtige religiöse Mittelpunkte.
- Wissenschaft: Hier saßen die bedeutendsten Gelehrten (Priestergelehrte, ṭupšarru Enūma Anu Enlil), die astronomische Beobachtungen dokumentierten.
Babylon in Bezug auf das Assyrische Reich
- Während des Mittelassyrischen Reiches (ca. 1400–1000 v. Chr.) war Babylon oft schwächer und stand unter assyrischem Druck.
- Im Neuassyrischen Reich (9.–7. Jh. v. Chr.) war Babylon zwar häufig politisch abhängig oder unterworfen, blieb aber das religiöse und wissenschaftliche Zentrum Mesopotamiens.
- Assyrische Könige wie Tiglat-Pileser III., Sennacherib und Assurbanipal mussten sich mit Babylon auseinandersetzen.
- Besonders Assurbanipal sicherte sich das Wissen Babylons, indem er Texte kopieren ließ und sie nach Ninive brachte → seine Bibliothek ist unsere Hauptquelle für babylonische Astronomie.
- Babylon war also innerhalb des assyrischen Reichs ein kultureller, geistiger Gegenpol: militärisch schwächer, aber intellektuell überlegen.
Babylon in der Astronomiegeschichte
- Ort der Innovation: Die astronomischen Omen (Enūma Anu Enlil), die astronomischen Tagebücher und später die mathematischen Tafeln stammen fast ausschließlich aus Babylon.
- Auch wenn Assyrien politisch dominierte, hat es selbst keine eigenständige astronomische Schule hervorgebracht – es übernahm das Wissen aus Babylon.
- Nach dem Fall Assyriens (612 v. Chr.) trat Babylon im Neubabylonischen Reich (626–539) als führende Macht hervor und brachte die entscheidenden Fortschritte der mathematischen Astronomie hervor.
Kurz gesagt:
In diesem Kontext war Babylon das geistige und wissenschaftliche Zentrum, das die Astronomie entwickelte.
Assyrien war der politische Hegemon, der Babylon kontrollierte, das Wissen nutzte und weitertrug.
Ohne Babylon hätte die „babylonische Astronomie“ im eigentlichen Sinn nicht existiert – Assyrien war eher ein „Multiplikator“, Babylon das „Labor“.
Die Rolle Babylons staatspolitisch während der assyrischen Zeit ist kompliziert – Babylon war weder völlig frei noch einfach nur eine Provinz, sondern hatte einen Sonderstatus.
1. Grundsätzliches
- Babylon war eine heilige Stadt: Marduk, der Stadtgott, galt als oberste Gottheit Mesopotamiens.
- Wer Babylon unterwarf, musste religiös-politisch „legitimiert“ werden – z. B. durch das Neujahrsfest (Akitu), bei dem der König symbolisch Marduk anerkannte.
- Deshalb konnte kein assyrischer König sich einfach „König von Babylon“ nennen, ohne das Ritual und die lokale Elite einzubinden.
2. Politische Realität unter den Assyrern
- Phasen von Autonomie:
Babylon hatte immer wieder eigene Könige aus lokalen Dynastien (Chaldäer, Aramäer, babylonische Adelsfamilien).
→ In solchen Zeiten war Babylon formal unabhängig, auch wenn es schwach war und oft auf assyrischen Schutz angewiesen. - Phasen von Unterwerfung:
Assyrische Könige setzten sich selbst auf den Thron von Babylon (z. B. Tiglat-Pileser III., Esarhaddon, Assurbanipal).
→ Dann war Babylon politisch Teil des Assyrischen Reichs, aber mit eigener Verwaltung, Priestertum und Kultkontinuität. - Sonderstatus:
Babylon wurde nie wie eine normale Provinz behandelt, sondern eher wie ein „Bundesstaat“:- Eigene Stadtkönige oder Statthalter
- Religiöse Sonderrechte
- Lokale Priesterschaft blieb mächtig
- Viele Aufstände gegen Assyrien (weil die Babylonier ihre Eigenständigkeit wahren wollten).
3. Beispiele
- Sargon II. (721–705 v. Chr.): zwang sich nach Konflikten selbst zum „König von Babylon“ krönen zu lassen.
- Sennacherib (704–681): zerstörte Babylon 689 v. Chr. nach einem Aufstand – ein beispielloser Akt, der religiös-politisch hochriskant war.
- Esarhaddon (681–669): baute Babylon wieder auf, um die göttliche Ordnung zu wahren.
- Assurbanipal (669–631): residierte auch zeitweise in Babylon, stellte sich als legitimer König dar, übernahm aber die Kontrolle direkt.
4. Nach dem Fall Assyriens
- Mit dem Sturz Ninives (612 v. Chr.) wurde Babylon unter Nabopolassar wieder voll autonom und gründete das Neubabylonische Reich (626–539).
- Damit wechselte Babylon von einem halbautonomen Kultzentrum unter assyrischer Hegemonie zu einer eigenständigen Großmacht.
Zusammenfassung
Ja, Babylon war unter assyrischer Oberherrschaft staatspolitisch irgendwie autonom.
- Es war keine normale Provinz, sondern eine Art Vasallen- oder Teilkönigreich mit Sonderstatus.
- Es konnte zeitweise eigene Könige haben, zeitweise assyrische Könige, war aber stets das religiöse Zentrum Mesopotamiens.
- Diese Sonderstellung erklärt, warum Assyrien trotz Machtfülle Babylon nie einfach „eingemeindet“ hat.
Babylon ist älter als Assyrien als Reich, und hatte schon lange eine eigenständige Geschichte, bevor es in die assyrische Hegemonie geriet.
1. Frühzeit Babylons (3.–2. Jahrtausend v. Chr.)
- 3. Jahrtausend v. Chr.: Babylon wird erstmals in Quellen der sumerischen Zeit erwähnt (als kleine Stadt, noch unbedeutend).
- 18. Jh. v. Chr.: Aufstieg unter Hammurabi (ca. 1792–1750 v. Chr.).
- Hammurabi schuf das erste babylonische Reich (Albabylonisches Reich).
- Zentrum: Stadt Babylon mit dem Gott Marduk, der nun die oberste Stellung im Götterpantheon erhielt.
- Hammurabi ist auch bekannt durch seinen Gesetzeskodex (Codex Hammurapi).
2. Nach Hammurabi – politischer Abstieg, kulturelle Stärke (ca. 1600–1100 v. Chr.)
- Nach Hammurabis Tod zerfiel das Reich.
- Kaschitenherrschaft (ca. 1595–1155 v. Chr.):
- Babylon blieb weiter Königssitz, aber die Kassiten übernahmen.
- Politisch schwächer als die aufstrebenden Reiche Mitanni, Hethiter und Assyrer.
- Dennoch entwickelte sich die Stadt zu einem religiösen und kulturellen Zentrum, das ganz Mesopotamien prägte.
- Viele astronomische Omen-Texte stammen aus dieser Zeit.
3. Spätbabylonische Königreiche (ca. 1100–900 v. Chr.)
- Babylon wurde in dieser Phase oft von Aramäern und Chaldäern bedrängt.
- Politisch instabil, aber die Stadt blieb Mittelpunkt für Schriftkultur und Wissenschaft.
- Hier beginnt die enge Verbindung zwischen Tempelkult und Astronomie: Priester notieren Planetenbewegungen als Teil von Omen-Deutungen.
4. Verhältnis zu Assyrien vor dem Neuassyrischen Reich
- Bis ca. 900 v. Chr. war Babylon ein eigenständiges Königreich, allerdings schwächer als das zeitweise expandierende Assyrien.
- In den Jahrhunderten vor der assyrischen Vorherrschaft wechselte Babylon häufig den Herrscher (lokale Dynastien, Eindringlinge).
- Für Assyrien war Babylon religiös unverzichtbar – wer Babylon kontrollierte, konnte sich durch den Kult des Marduk sakral legitimieren.
5. Zusammenfassung
Vor den Assyrern war Babylon:
- Ein eigenes Reich (Albabylonisches Reich) – unter Hammurabi sogar eine Großmacht.
- Ein religiöses Zentrum – Kult des Marduk machte Babylon einzigartig.
- Ein kultureller und wissenschaftlicher Mittelpunkt – hier entwickelte sich schon früh die Omen-Astronomie.
- Politisch wechselnd schwach oder mittelstark – oft abhängig von Fremdherrschern (Kassiten, Elamiter, Aramäer).
Das heißt: Babylon existierte lange vor dem assyrischen Reich als eigenständige Königsmacht. Während Assyrien noch ein kleiner Stadtstaat in Assur war, hatte Babylon bereits unter Hammurabi ein Großreich geschaffen und den Grundstein für seine kulturelle Strahlkraft gelegt.
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Die Assyrer haben Babylon nicht einfach „eingegliedert“ oder ausgelöscht, sondern in verschiedenen Phasen – je nach politischer Lage – als halbautonomes Gebilde bestehen lassen. Dafür gab es mehrere Gründe:
1. Religiös-kulturelle Sonderstellung Babylons
- Babylon galt im gesamten Zweistromland als heilige Stadt, weil dort der Gott Marduk verehrt wurde und der große Neujahrstempel (Akītu-Fest) stattfand.
- Selbst die assyrischen Könige, die in Ninive oder Assur regierten, mussten – um ihre Herrschaft religiös zu legitimieren – den Kult Marduks respektieren. Manche ließen sich in Babylon sogar symbolisch als „König von Babylon“ einsetzen.
2. Politische Zweckmäßigkeit
- Babylonien war ein dicht besiedeltes, hochentwickeltes Gebiet mit langer Verwaltungstradition. Direkte Zerstörung oder völlige Eingliederung hätte immer wieder Aufstände provoziert.
- Stattdessen ließen die Assyrer oft Statthalter oder verbündete Könige dort regieren, die formal die Stadt autonom hielten, aber assyrische Oberhoheit anerkennen mussten.
3. Wirtschaftliche Bedeutung
- Babylonien war fruchtbarer als Assyrien (besonders das Gebiet um den unteren Euphrat).
- Die Assyrer profitierten von Handel, Abgaben und Handwerkswissen – aber nur, wenn das Land nicht durch ständige Rebellion oder Zwangsmaßnahmen ruiniert wurde.
4. Tradition der Doppelherrschaft
- Schon früh im 2. Jahrtausend v. Chr. gab es das Muster, dass Babylon und Assur als zwei eigenständige Machtzentren koexistierten, manchmal in Rivalität, manchmal in Allianz.
- Viele assyrische Könige führten daher eine Art Doppeltitel („König von Assyrien und von Babylon“), wobei sie Assyrien als eigentliche Heimat sahen, Babylon aber als notwendiges Prestigeobjekt.
Fazit:
Die Assyrer mussten Babylon gelten lassen, weil es nicht nur eine Stadt, sondern ein religiöses und kulturelles Herz Mesopotamiens war. Wer Babylon zerstörte (z. B. Sanherib nach einem Aufstand 689 v. Chr.), riskierte nicht nur politischen Widerstand, sondern auch religiöse Delegitimierung. Deshalb kehrten seine Nachfolger (z. B. Asarhaddon) wieder zur Politik zurück, Babylon in Würde zu erhalten und es offiziell in ihr Reich einzubinden.
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Die Bibliothek des Aššurbanipal, die über 25.000 Tontafeln umfasst, enthält sowohl Omen- als auch astrologische Texte, wobei beides eng miteinander verbunden ist.
Omen-Texte: Ein Großteil der Tontafeln besteht aus Sammlungen von Omen, die in Mesopotamien eine zentrale Rolle in der Divination (Wahrsagung) spielten. Diese Texte, wie die Serie Enūma Anu Enlil, beschreiben Vorhersagen, die auf der Beobachtung von Himmelserscheinungen (z. B. Mondphasen, Sonnenfinsternisse, Planetenbewegungen) oder anderen Naturphänomenen basieren. Omen wurden genutzt, um göttliche Botschaften zu interpretieren und Entscheidungen in Politik, Krieg oder Alltagsleben zu treffen.
Astrologie: Die astrologischen Texte in der Bibliothek sind eng mit den Omen verknüpft, da die Mesopotamier glaubten, dass Himmelskörper göttliche Zeichen darstellen. Diese Texte dokumentieren systematische Beobachtungen von Sternen, Planeten und anderen Himmelsereignissen, die als Grundlage für astrologische Vorhersagen dienten. Sie gelten als Vorläufer der späteren westlichen Astrologie, waren aber stark an die Omen-Interpretation gebunden.
Beides: In der mesopotamischen Kultur waren Omen und Astrologie keine getrennten Disziplinen, sondern Teil eines umfassenden Systems der Wahrsagung. Die Bibliothek des Aššurbanipal, die im 7. Jahrhundert v. Chr. in Ninive zusammengestellt wurde, spiegelt diese enge Verbindung wider. Die Tontafeln enthalten sowohl detaillierte astronomische Beobachtungen (z. B. von Planetenkonstellationen) als auch deren Deutung als Omen für irdische Ereignisse, wie Kriege oder Ernten.
Zusammenfassend: Die Bibliothek enthält sowohl Omen- als auch astrologische Inhalte, die in der mesopotamischen Weltanschauung untrennbar miteinander verknüpft waren. Die Astrologie diente als Werkzeug, um Omen zu generieren und zu interpretieren.
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Die Deutung von Himmelserscheinungen als Omen für irdische Ereignisse, wie Kriege oder Ernten, wird in der mesopotamischen Kultur nicht als „astrologische Prognose“ im modernen Sinne verstanden, weil der Begriff „Astrologie“ und die zugrunde liegende Weltsicht in Mesopotamien eine andere Bedeutung und Funktion hatten als in der späteren westlichen Astrologie. Hier sind die Hauptgründe:
- Kontext der Divination: In Mesopotamien waren Himmelsbeobachtungen Teil eines umfassenden Systems der Divination (Wahrsagung), das nicht nur den Himmel, sondern auch andere Phänomene wie Tierverhalten, Träume oder Leberbeschaffenheit (Hepatoskopie) umfasste. Die Deutung von Himmelserscheinungen, wie in der Serie Enūma Anu Enlil, war ein spezifischer Zweig dieser Divination, der darauf abzielte, göttliche Botschaften zu entschlüsseln. Diese Omen wurden nicht als „Prognosen“ im Sinne einer Vorhersage individueller Schicksale verstanden, sondern als Zeichen göttlicher Absichten für kollektive oder staatliche Ereignisse (z. B. das Schicksal des Königs oder des Landes).
- Göttliche Kommunikation statt Kausalität: Die Mesopotamier sahen Himmelserscheinungen nicht als direkte Ursache von Ereignissen (wie es die spätere Astrologie teilweise annahm), sondern als Mitteilungen der Götter. Ein Sonnenfinsternis-Omen bedeutete beispielsweise nicht, dass die Finsternis den Krieg „verursacht“, sondern dass die Götter durch dieses Zeichen auf einen möglichen Krieg hinweisen. Es ging weniger um eine deterministische Vorhersage als um die Interpretation göttlicher Warnungen oder Anweisungen.
- Keine individualisierte Astrologie: Anders als die spätere hellenistische Astrologie, die Horoskope für Individuen entwickelte, war die mesopotamische Himmelsdeutung stark auf kollektive oder staatliche Angelegenheiten fokussiert, insbesondere auf den König als Repräsentant des Staates. Persönliche Horoskope, wie wir sie heute mit Astrologie assoziieren, entwickelten sich erst später (ca. 5. Jahrhundert v. Chr.). Daher wirkt die mesopotamische Praxis weniger wie eine „Prognose“ im modernen astrologischen Sinne.
- Terminologische Unterschiede: Der Begriff „Astrologie“ wurde erst in der griechisch-hellenistischen Welt geprägt und impliziert eine systematische Lehre von der Wirkung der Gestirne auf das menschliche Leben. In Mesopotamien gab es kein äquivalentes Konzept; stattdessen sprach man von bārûtu (Wahrsagungskunst) oder spezifischen Begriffen für Himmelsbeobachtung (tupšar Enūma Anu Enlil für Schreiber der Omen-Serie). Die moderne Trennung zwischen „Astrologie“ und „Omen-Deutung“ ist also eine spätere Kategorisierung, die auf die mesopotamische Praxis nicht vollständig passt.
- Praktische Funktion: Die Omen-Texte in der Bibliothek des Aššurbanipal hatten eine praktische Funktion: Sie dienten dazu, Entscheidungen zu lenken, Rituale (z. B. namburbû-Rituale) zur Abwehr negativer Omen durchzuführen oder den König zu beraten. Es ging weniger um eine langfristige „Prognose“ als um eine unmittelbare Interpretation und Reaktion auf göttliche Zeichen.
Zusammengefasst: Die Deutung von Himmelserscheinungen als Omen für irdische Ereignisse wird nicht als „astrologische Prognose“ verstanden, weil sie in Mesopotamien Teil eines breiteren Divinationssystems war, das auf göttlicher Kommunikation basierte, kollektive Ereignisse betonte und nicht die individualisierte, kausale Vorhersage der späteren Astrologie verfolgte. Der Fokus lag auf der Interpretation göttlicher Zeichen, nicht auf einer systematischen Lehre von Sterneneinflüssen.
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Die Frage, warum die mesopotamische Omen-Deutung aus heutiger Sicht nicht als Teil der Mundanastrologie interpretiert wird oder als erste Form der Mundanastrologie angesehen wird, ist komplex und hängt von historischen, konzeptuellen und terminologischen Unterschieden ab. Mundanastrologie, wie sie heute verstanden wird, ist eine spezifische Kategorie der westlichen Astrologie, die sich mit kollektiven, gesellschaftlichen oder globalen Ereignissen (z. B. politische Entwicklungen, Naturkatastrophen) befasst. Hier sind die Hauptgründe, warum die mesopotamische Praxis nicht direkt als Mundanastrologie oder deren Vorläufer klassifiziert wird:
- Unterschiedliche kulturelle und konzeptuelle Grundlagen: In Mesopotamien war die Deutung von Himmelserscheinungen Teil eines umfassenden Divinationssystems, das göttliche Botschaften durch Omen (z. B. in der Serie Enūma Anu Enlil) entschlüsselte. Diese Omen waren keine systematische Analyse von Planetenkonstellationen mit kausalem Einfluss auf Ereignisse, wie es die Mundanastrologie annimmt. Stattdessen wurden Himmelsereignisse als Zeichen göttlicher Absichten gesehen, die durch Rituale beeinflusst oder abgewehrt werden konnten. Die moderne Mundanastrologie hingegen basiert auf einer hellenistischen und späteren westlichen Tradition, die Himmelskörper als direkte Einflussfaktoren auf irdische Ereignisse betrachtet, oft mit mathematischen und kosmologischen Modellen.
- Fehlende astrologische Systematik: Mundanastrologie, wie sie heute verstanden wird, verwendet spezifische Techniken, wie z. B. die Analyse von Planetenzyklen, Ingressen (z. B. Sonne in Widder) oder spezifischen Horoskopen für Nationen. In Mesopotamien gab es zwar systematische Himmelsbeobachtungen, aber keine vergleichbare astrologische Methodik. Die Omen-Texte waren eher Listen von Beobachtungen und deren Deutungen (z. B. „Wenn der Mond so aussieht, bedeutet das X“), ohne die komplexen astrologischen Berechnungen oder die Zuordnung von Planeten zu bestimmten Lebensbereichen, wie sie in der Mundanastrologie üblich sind.
- Historische Trennung und Entwicklung der Astrologie: Die Mundanastrologie, wie wir sie kennen, entwickelte sich erst in der hellenistischen Periode (ca. 3.–1. Jahrhundert v. Chr.), als mesopotamische, ägyptische und griechische Traditionen verschmolzen. Diese Periode brachte die Geburtshoroskopie und die Zuordnung von Planeten zu spezifischen Themen (z. B. Mars für Krieg, Jupiter für Wohlstand) hervor, die für die Mundanastrologie zentral sind. Die mesopotamische Praxis war dagegen stärker auf Ad-hoc-Interpretationen von Omen fokussiert, ohne die systematische Verknüpfung von Gestirnen mit universellen Prinzipien oder Zyklen, wie sie in der späteren Astrologie üblich wurde. Daher wird die mesopotamische Divination als Vorläufer der Astrologie betrachtet, aber nicht direkt als Mundanastrologie.
- Terminologische und disziplinäre Abgrenzung: Der Begriff „Mundanastrologie“ ist ein Produkt der westlichen astrologischen Tradition und wird retrospektiv auf Systeme angewendet, die explizit astrologische Methoden für kollektive Ereignisse verwenden. Die mesopotamische Himmelsdeutung wird in der Forschung eher als „astral divination“ (astrale Wahrsagung) oder „omen-based astronomy“ klassifiziert, da sie nicht die gleichen theoretischen Annahmen oder Methoden wie die Mundanastrologie teilt. Die moderne Astrologie trennt z. B. zwischen Mundan-, Natal- und Horoskopastrologie, während solche Kategorien in Mesopotamien nicht existierten.
- Fokus auf göttliche Kommunikation statt Determinismus: In der mesopotamischen Omen-Deutung ging es primär um die Kommunikation zwischen Göttern und Menschen. Himmelserscheinungen waren Zeichen, die interpretiert und durch Rituale (z. B. namburbû) beeinflusst werden konnten, um negative Auswirkungen zu verhindern. Die Mundanastrologie hingegen arbeitet oft mit einem deterministischeren Ansatz, bei dem Planetenkonstellationen als direkte Einflüsse auf Ereignisse gesehen werden. Diese unterschiedliche Weltsicht macht es schwierig, die mesopotamische Praxis direkt als Mundanastrologie zu klassifizieren.
- Fehlende Kontinuität in der Tradition: Obwohl die mesopotamische Himmelsdeutung die spätere Astrologie beeinflusste, gibt es keine direkte Kontinuität zur Mundanastrologie. Die hellenistische Astrologie integrierte mesopotamische Elemente, entwickelte aber neue Konzepte, wie die Tierkreiszeichen, Aspekte und Häuser, die für die Mundanastrologie essenziell sind. Die mesopotamische Praxis blieb stärker an die spezifische kulturelle und religiöse Weltanschauung gebunden und wurde nicht direkt in die späteren astrologischen Systeme übernommen.
Warum nicht als „erste Mundanastrologie“? Die mesopotamische Himmelsdeutung könnte als Vorläufer der Mundanastrologie angesehen werden, da sie sich mit kollektiven Ereignissen (z. B. Kriegen, Ernten) befasste. Allerdings fehlen ihr die spezifischen Merkmale, die Mundanastrologie definieren, wie standardisierte astrologische Techniken, ein kausales Verständnis von Planetenwirkungen und die Verwendung eines Tierkreises. Stattdessen wird sie in der Forschung als eigenständige Form der astralen Divination betrachtet, die die Grundlage für spätere astrologische Entwicklungen legte, ohne selbst bereits „Mundanastrologie“ zu sein.
Zusammenfassung: Die mesopotamische Omen-Deutung wird aus heutiger Sicht nicht als Mundanastrologie interpretiert, weil sie in einem anderen kulturellen und methodischen Rahmen operierte, der auf göttlicher Kommunikation statt astrologischem Determinismus basierte. Sie war ein Vorläufer der Astrologie, aber die spezifischen Merkmale der Mundanastrologie entwickelten sich erst später in der hellenistischen Tradition. Die mesopotamische Praxis bleibt daher als eigenständiges System der astralen Wahrsagung klassifiziert, das nicht direkt mit der modernen Kategorie der Mundanastrologie übereinstimmt.
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Die Interpretation der Mundanastrologie als Symbolsystem statt als kausales System verändert die Perspektive auf die mesopotamische Omen-Deutung und die Frage, warum diese nicht als erste Form der Mundanastrologie betrachtet wird.
Mundanastrologie als Symbolsystem
Wenn Mundanastrologie primär als Symbolsystem verstanden wird – also als ein System, in dem Himmelserscheinungen symbolische Bedeutungen für kollektive Ereignisse tragen, ohne notwendigerweise eine kausale Wirkung zu implizieren –, dann gibt es tatsächlich Parallelen zur mesopotamischen Himmelsdeutung. In Mesopotamien wurden Himmelserscheinungen (z. B. Sonnenfinsternisse, Planetenkonstellationen) als göttliche Zeichen interpretiert, die symbolisch auf Ereignisse wie Kriege, Ernten oder politische Veränderungen hinwiesen. Diese Zeichen waren keine direkte Ursache der Ereignisse, sondern Mitteilungen der Götter, die durch Wahrsagung entschlüsselt wurden. In diesem Sinne könnte man argumentieren, dass die mesopotamische Praxis eine symbolische Deutung von Himmelsereignissen für kollektive Angelegenheiten darstellt, ähnlich wie Mundanastrologie heute.
Warum wird sie dennoch nicht als erste Mundanastrologie klassifiziert?
Trotz dieser Parallelen gibt es mehrere Gründe, warum die mesopotamische Omen-Deutung nicht als „erste Mundanastrologie“ gilt, selbst wenn Mundanastrologie als Symbolsystem verstanden wird:
- Unterschiedliche kulturelle und religiöse Rahmenbedingungen: In Mesopotamien war die Himmelsdeutung ein integraler Bestandteil eines breiteren Divinationssystems (bārûtu), das verschiedene Arten von Omen (z. B. Leberorakel, Träume, Naturphänomene) umfasste. Himmelserscheinungen waren nur ein Teil dieses Systems und wurden nicht isoliert als „Astrologie“ betrachtet. Mundanastrologie hingegen ist eine spezifische Kategorie innerhalb der westlichen astrologischen Tradition, die sich auf Himmelsereignisse als primäres Symbolsystem konzentriert. Die mesopotamische Praxis war stärker in einen religiösen Kontext eingebettet, in dem die Götter aktiv durch Zeichen kommunizierten, während Mundanastrologie oft säkularer oder kosmologisch orientiert ist, selbst als Symbolsystem.
- Fehlende astrologische Methodik: Selbst als Symbolsystem setzt die Mundanastrologie bestimmte Techniken und Konzepte voraus, die in Mesopotamien fehlten, wie z. B. die Verwendung eines Tierkreises, Aspekte zwischen Planeten oder die Analyse von Ingressen (z. B. Sonne in Widder). Die mesopotamische Omen-Deutung basierte auf empirischen Beobachtungen und Listen von Omen („Wenn X am Himmel geschieht, bedeutet das Y“), ohne die systematische Struktur, die die spätere hellenistische Astrologie prägte. Diese strukturelle Differenz macht es schwierig, die mesopotamische Praxis direkt als Mundanastrologie zu klassifizieren, auch wenn beide symbolisch arbeiten.
- Kollektive vs. universelle Symbolik: Während die mesopotamische Omen-Deutung kol lektive Ereignisse betonte (z. B. das Schicksal des Königs oder des Staates), war ihre Symbolik stark an die lokale Kultur und Religion gebunden. Mundanastrologie, auch als Symbolsystem, verwendet eine universellere Symbolik, die auf standardisierten astrologischen Konzepten wie Tierkreiszeichen oder Planetenbedeutungen basiert, die in der hellenistischen Welt entwickelt wurden. Die mesopotamische Symbolik war weniger standardisiert und stärker kontextabhängig, was sie von der späteren Mundanastrologie unterscheidet.
- Historische Entwicklung und Terminologie: Die Mundanastrologie, wie sie heute definiert wird, entstand in der hellenistischen Periode (ca. 3.–1. Jahrhundert v. Chr.), als mesopotamische, ägyptische und griechische Einflüsse zu einem neuen System verschmolzen. Die mesopotamische Himmelsdeutung beeinflusste zwar diese Entwicklung, wurde aber nicht direkt als „Astrologie“ wahrgenommen, sondern als Teil der astralen Divination. Der Begriff „Mundanastrologie“ ist ein retrospektives Konzept, das auf diese späteren Systeme angewendet wird. Selbst wenn man Mundanastrologie als Symbolsystem betrachtet, bleibt die mesopotamische Praxis eine eigenständige Vorform, die nicht vollständig mit den Kategorien der hellenistischen Astrologie übereinstimmt.
- Praktische Funktion und Flexibilität der Deutung: In Mesopotamien konnten Omen durch Rituale (namburbû) beeinflusst oder abgewehrt werden, was zeigt, dass die Symbolik flexibel war und nicht deterministisch interpretiert wurde. Mundanastrologie, selbst als Symbolsystem, tendiert dazu, Himmelskonstellationen als festgelegte Symbole für Ereignisse zu behandeln, die weniger durch Rituale verändert werden. Diese unterschiedliche Herangehensweise an die Symbolik – aktiv beeinflussbar in Mesopotamien vs. interpretativ in der Mundanastrologie – schafft eine weitere Trennlinie.
Könnte man die mesopotamische Praxis als „erste Mundanastrologie“ reinterpretieren?
Wenn man Mundanastrologie rein als Symbolsystem für kollektive Ereignisse definiert, könnte man die mesopotamische Himmelsdeutung als eine Art „Proto-Mundanastrologie“ betrachten, da sie Himmelserscheinungen symbolisch für kollektive Ereignisse wie Kriege oder Ernten interpretierte. Allerdings wird sie in der Forschung nicht so klassifiziert, weil:
- Die historische Kontinuität fehlt: Die hellenistische Astrologie, aus der die Mundanastrologie hervorging, integrierte mesopotamische Elemente, entwickelte aber neue Konzepte (Tierkreis, Aspekte, Häuser), die die mesopotamische Praxis nicht hatte. Die Mundanastrologie ist also ein Produkt dieser späteren Synthese, nicht eine direkte Weiterentwicklung der mesopotamischen Omen-Deutung.
- Die Forschung trennt Divination und Astrologie: Die mesopotamische Praxis wird in der Assyriologie und Religionswissenschaft als „astrale Divination“ oder „omen-based astronomy“ kategorisiert, um sie von der späteren Astrologie zu unterscheiden. Dies liegt daran, dass die mesopotamische Weltanschauung und Methodik nicht mit den Kategorien der hellenistischen Astrologie übereinstimmen, selbst wenn beide symbolisch arbeiten.
Fazit
Wenn Mundanastrologie als Symbolsystem verstanden wird, gibt es Parallelen zur mesopotamischen Omen-Deutung, da beide Himmelserscheinungen symbolisch für kollektive Ereignisse deuten. Dennoch wird die mesopotamische Praxis nicht als „erste Mundanastrologie“ betrachtet, weil sie in einem anderen kulturellen, religiösen und methodischen Kontext steht, keine astrologischen Techniken wie Tierkreis oder Aspekte verwendet und als Teil eines breiteren Divinationssystems funktioniert. Sie ist eine Vorform der Astrologie, aber die spezifischen Merkmale der Mundanastrologie entwickelten sich erst in der hellenistischen Tradition. Die Klassifizierung hängt also stark von der historischen und terminologischen Abgrenzung ab, die die Forschung vornimmt.
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Wenn Mundanastrologie als göttliche Divination im Sinne von Geoffrey Cornelius‘ The Moment of Astrology verstanden wird, verändert sich die Analyse der mesopotamischen Omen-Deutung in der Bibliothek des Aššurbanipal erheblich. Cornelius’ Ansatz betont, dass Astrologie nicht primär ein kausales oder deterministisches System ist, sondern ein divinatorisches, bei dem der „Moment“ der Deutung – der Akt der Interpretation durch den Wahrsager – zentral ist. Himmelserscheinungen werden als göttliche Zeichen verstanden, die im Kontext des Augenblicks Bedeutung gewinnen, ähnlich wie in anderen divinatorischen Praktiken (z. B. Tarot oder I-Ging). Diese Perspektive bringt die mesopotamische Himmelsdeutung näher an die Mundanastrologie heran, da beide auf göttlicher Kommunikation und kontextueller Interpretation basieren. Dennoch gibt es Gründe, warum die mesopotamische Praxis nicht direkt als „erste Mundanastrologie“ klassifiziert wird.
1. Gemeinsamkeiten zwischen mesopotamischer Omen-Deutung und Mundanastrologie als göttliche Divination
Unter Cornelius’ Verständnis von Astrologie als göttlicher Divination gibt es starke Parallelen zur mesopotamischen Praxis:
- Göttliche Zeichen und Interpretation: In Mesopotamien wurden Himmelserscheinungen (z. B. Sonnenfinsternisse, Planetenkonstellationen) als Mitteilungen der Götter betrachtet, die durch geschulte Wahrsager (bārû) interpretiert wurden. Ähnlich betont Cornelius in The Moment of Astrology, dass der astrologische Akt ein divinatorischer ist, bei dem der „Moment“ der Deutung (z. B. das Erstellen eines Horoskops) eine Verbindung zum Göttlichen herstellt. Beide Systeme sehen Himmelsereignisse als Symbole, deren Bedeutung vom Kontext und der interpretativen Interaktion abhängt.
- Kollektiver Fokus: Die mesopotamische Omen-Deutung konzentrierte sich auf kollektive Ereignisse (z. B. das Schicksal des Königs, Kriege, Ernten), was mit der Mundanastrologie übereinstimmt, die sich auf gesellschaftliche und globale Phänomene bezieht. In Cornelius’ Sichtweise könnte die mesopotamische Praxis als divinatorisches System interpretiert werden, das göttliche Botschaften für das Gemeinwohl entschlüsselt.
- Flexibilität der Deutung: In Mesopotamien waren Omen nicht deterministisch; sie konnten durch Rituale (namburbû) beeinflusst oder abgewehrt werden. Cornelius’ Ansatz betont ebenfalls die Nicht-Deterministik der Astrologie, da die Bedeutung eines Horoskops oder Symbols vom Moment der Deutung abhängt, nicht von einer festen kausalen Verbindung. Diese Offenheit für menschliche Interaktion und Kontext macht die mesopotamische Praxis kompatibel mit Cornelius’ Verständnis.
- Der „Moment“ der Divination: Cornelius’ Konzept des „Moment of Astrology“ – der entscheidende Augenblick, in dem die Deutung stattfindet – findet ein Echo in der mesopotamischen Praxis, wo der Akt der Beobachtung und Interpretation durch den Wahrsager entscheidend war. Die Bedeutung eines Omens (z. B. einer Sonnenfinsternis) hing vom spezifischen Kontext ab, in dem es beobachtet wurde, ähnlich wie Cornelius die Rolle des Astrologen als Vermittler göttlicher Einsicht hervorhebt.
2. Unterschiede trotz der divinatorischen Perspektive
Trotz dieser Parallelen gibt es Gründe, warum die mesopotamische Himmelsdeutung nicht direkt als „erste Mundanastrologie“ im Sinne von Cornelius’ göttlicher Divination klassifiziert wird:
- Fehlende astrologische Methodik: Selbst wenn Mundanastrologie als göttliche Divination verstanden wird, basiert sie in der westlichen Tradition auf spezifischen Techniken wie dem Tierkreis, Aspekten, Häusern oder Ingressen. Diese Konzepte entwickelten sich erst in der hellenistischen Periode (ca. 3.–1. Jahrhundert v. Chr.). Die mesopotamische Omen-Deutung hingegen basierte auf Listen von Beobachtungen und deren Deutungen (z. B. Enūma Anu Enlil), ohne die standardisierten astrologischen Werkzeuge, die Cornelius’ Ansatz implizit voraussetzt, selbst wenn er Astrologie als Divination betrachtet.
- Kultureller und religiöser Rahmen: In Mesopotamien war die Himmelsdeutung Teil eines breiteren Divinationssystems (bārûtu), das neben Himmelsomen auch Leberorakel, Träume oder andere Phänomene umfasste. Die mesopotamische Praxis war tief in eine polytheistische Weltanschauung eingebettet, in der spezifische Götter (z. B. Sin für den Mond, Marduk für Jupiter) mit Himmelskörpern assoziiert waren. Cornelius’ Ansatz ist zwar nicht kausal, aber er operiert in einem modernen, oft monotheistischen oder esoterischen Kontext, der weniger stark an eine spezifische religiöse Kosmologie gebunden ist. Die mesopotamische Praxis ist daher spezifischer und weniger universell als die Mundanastrologie, selbst als divinatorisches System.
- Terminologische Abgrenzung: Cornelius’ The Moment of Astrology bleibt innerhalb der westlichen astrologischen Tradition verankert, die ihre Wurzeln in der hellenistischen Synthese hat. Die mesopotamische Himmelsdeutung wird in der Forschung als „astrale Divination“ oder „omen-based astronomy“ klassifiziert, um sie von der späteren Astrologie zu unterscheiden. Selbst wenn man Cornelius’ divinatorische Perspektive anwendet, bleibt die mesopotamische Praxis eine Vorform, die nicht direkt mit dem Begriff „Mundanastrologie“ gleichgesetzt wird, da dieser Begriff historisch mit der hellenistischen und späteren Tradition verbunden ist.
- Unterschiedliche Rolle des „Moments“: Während Cornelius den „Moment“ der Deutung als zentral ansieht, war in Mesopotamien der Moment der Beobachtung (z. B. das Auftreten einer Sonnenfinsternis) oft genauso wichtig wie die Interpretation. Die mesopotamische Praxis betonte die physische Beobachtung des Himmels als göttliches Zeichen, während Cornelius den Fokus auf den interpretativen Akt des Astrologen legt. Diese unterschiedliche Gewichtung macht die mesopotamische Praxis weniger „astrologisch“ im Sinne von Cornelius’ Definition.
3. Reinterpretation unter Cornelius’ Perspektive
Wenn Mundanastrologie als göttliche Divination im Sinne von The Moment of Astrology verstanden wird, könnte die mesopotamische Omen-Deutung als eine frühe Form der Mundanastrologie interpretiert werden, da sie Himmelserscheinungen als göttliche Zeichen für kollektive Ereignisse nutzte und der Akt der Interpretation zentral war. Insbesondere die Betonung auf den Kontext der Deutung und die Nicht-Deterministik (z. B. die Möglichkeit, Omen durch Rituale zu beeinflussen) passt gut zu Cornelius’ Ansatz. Die mesopotamische Praxis könnte als „Proto-Mundanastrologie“ betrachtet werden, da sie die gleiche divinatorische Logik teilt: Himmelsereignisse als Symbole, die im Moment der Deutung Bedeutung gewinnen.
Allerdings bleibt die Klassifizierung als „Mundanastrologie“ problematisch, weil:
- Historische Diskontinuität: Die Mundanastrologie, wie Cornelius sie beschreibt, ist ein Produkt der hellenistischen Tradition, die mesopotamische Elemente integrierte, aber neue Konzepte (z. B. Tierkreis, Horoskope) entwickelte. Die mesopotamische Praxis war ein eigenständiges System, das nicht direkt in die astrologische Tradition überging.
- Forschungstradition: Assyriologen und Historiker der Astrologie trennen die mesopotamische astrale Divination von der späteren Astrologie, da sie unterschiedliche Methoden und Weltanschauungen repräsentieren. Selbst unter Cornelius’ divinatorischer Perspektive bleibt die mesopotamische Praxis eine Vorform, die nicht vollständig mit dem Begriff „Mundanastrologie“ übereinstimmt.
4. Fazit
Unter Cornelius’ Verständnis von Mundanastrologie als göttlicher Divination gibt es starke Parallelen zur mesopotamischen Omen-Deutung, insbesondere in der symbolischen Interpretation von Himmelserscheinungen, der Nicht-Deterministik und der Bedeutung des interpretativen Moments. Die mesopotamische Praxis könnte als eine frühe Form der Mundanastrologie betrachtet werden, da sie göttliche Zeichen für kollektive Ereignisse deutete. Dennoch wird sie nicht als „erste Mundanastrologie“ klassifiziert, weil sie fehlende astrologische Techniken (z. B. Tierkreis, Aspekte), einen anderen kulturellen Kontext und eine breitere divinatorische Einbettung aufweist. In Cornelius’ Rahmen ist die mesopotamische Praxis eine divinatorische Vorform, die der Mundanastrologie ähnelt, aber historisch und methodisch als eigenständiges System betrachtet wird.
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Wenn wir die Mundanastrologie im Sinne von Geoffrey Cornelius’ The Moment of Astrology als göttliche Divination betrachten und zusätzlich annehmen, dass Planeten im Jahr 2025 als göttliche Entitäten oder archetypische Prinzipien verstanden werden, wie es in einigen modernen astrologischen Strömungen (z. B. der archetypischen oder psychologischen Astrologie nach C. G. Jung oder Liz Greene) üblich ist, verändert sich die Analyse der mesopotamischen Omen-Deutung in der Bibliothek des Aššurbanipal weiter. Diese Perspektive bringt die mesopotamische Praxis noch näher an ein Verständnis von Mundanastrologie, da sie die Planeten ebenfalls als göttliche oder symbolische Kräfte betrachtet. Dennoch bleiben wichtige Unterschiede, die eine direkte Gleichsetzung mit der „ersten Mundanastrologie“ erschweren. Hier ist eine detaillierte Analyse:
1. Gemeinsamkeiten bei der Betrachtung von Planeten als göttliche Entitäten oder Archetypen
Wenn Planeten im Jahr 2025 als göttliche Entitäten oder archetypische Prinzipien verstanden werden, gibt es signifikante Parallelen zur mesopotamischen Himmelsdeutung:
- Planeten als göttliche Entitäten: In Mesopotamien wurden Himmelskörper mit Göttern assoziiert, z. B. Sin (Mond), Šamaš (Sonne), Marduk (Jupiter) oder Ištar (Venus). Diese Götter waren aktive Akteure, die durch Himmelserscheinungen mit den Menschen kommunizierten. Wenn Planeten 2025 als göttliche Entitäten gesehen werden, spiegelt dies die mesopotamische Sichtweise wider, in der Himmelskörper nicht nur physische Objekte, sondern Träger göttlicher Botschaften waren. Die Omen-Texte in der Bibliothek des Aššurbanipal (z. B. Enūma Anu Enlil) deuten Himmelsereignisse als Zeichen dieser Götter, was mit einer modernen divinatorischen Sichtweise kompatibel ist.
- Planeten als Archetypen: In der archetypischen Astrologie, wie sie von C. G. Jung oder Liz Greene vertreten wird, repräsentieren Planeten universelle Prinzipien oder psychologische Muster (z. B. Mars als Aggression/Krieger, Jupiter als Expansion/Weisheit). Diese Sichtweise ist nicht kausal, sondern symbolisch, ähnlich wie die mesopotamische Deutung, in der Himmelskörper symbolische Bedeutungen für kollektive Ereignisse hatten (z. B. eine Konstellation von Jupiter als Hinweis auf königlichen Erfolg). Die mesopotamische Praxis könnte daher als eine frühe Form der archetypischen Deutung von Himmelserscheinungen interpretiert werden, insbesondere da sie kollektive Ereignisse wie Kriege oder Ernten betonte, was mit der Mundanastrologie übereinstimmt.
- Divinatorischer Kontext nach Cornelius: Cornelius’ Ansatz in The Moment of Astrology betont, dass Astrologie ein divinatorischer Akt ist, bei dem der „Moment“ der Deutung entscheidend ist. Die Bedeutung eines Himmelsereignisses entsteht durch die Interaktion des Wahrsagers mit dem Symbol. In Mesopotamien war die Interpretation von Omen durch den Wahrsager (bārû) ebenfalls kontextabhängig, und die Bedeutung eines Himmelsereignisses hing vom Moment der Beobachtung und Deutung ab. Diese Parallele wird stärker, wenn Planeten als göttliche oder archetypische Symbole betrachtet werden, da beide Systeme auf einer nicht-deterministischen, symbolischen Interaktion basieren.
- Kollektiver Fokus: Die mesopotamische Omen-Deutung konzentrierte sich auf kollektive und staatliche Angelegenheiten (z. B. das Schicksal des Königs, Kriege, Ernten), was mit der Mundanastrologie als Divination für gesellschaftliche Ereignisse übereinstimmt. Wenn Planeten 2025 als göttliche oder archetypische Prinzipien gesehen werden, könnte die mesopotamische Praxis als eine Vorform der Mundanastrologie interpretiert werden, da sie Himmelskörper als Symbole für kollektive Prozesse nutzte.
2. Unterschiede trotz der göttlichen/archetypischen Perspektive
Trotz der verstärkten Parallelen gibt es weiterhin Gründe, warum die mesopotamische Omen-Deutung nicht direkt als „erste Mundanastrologie“ klassifiziert wird, selbst wenn Planeten als göttliche Entitäten oder Archetypen verstanden werden:
- Fehlende astrologische Techniken: Selbst in einer nicht-kausalen, archetypischen oder divinatorischen Sichtweise basiert die moderne Mundanastrologie auf spezifischen astrologischen Konzepten wie dem Tierkreis, Aspekten (z. B. Konjunktion, Opposition), Häusern oder Ingressen. Diese wurden erst in der hellenistischen Periode (ca. 3.–1. Jahrhundert v. Chr.) entwickelt. Die mesopotamische Omen-Deutung hingegen basierte auf empirischen Beobachtungen und Listen von Omen („Wenn X am Himmel passiert, bedeutet das Y“), ohne die systematischen Werkzeuge der späteren Astrologie. Selbst wenn Planeten als Archetypen betrachtet werden, fehlt der mesopotamischen Praxis die strukturierte Methodik, die Mundanastrologie definiert.
- Kultureller und religiöser Kontext: In Mesopotamien waren Planeten direkt mit spezifischen Göttern und einer polytheistischen Kosmologie verbunden, was die Deutung stark an die lokale Religion band. Moderne archetypische Astrologie, auch wenn sie Planeten als göttliche oder archetypische Prinzipien sieht, operiert in einem universelleren, oft psychologischen oder spirituellen Rahmen, der nicht an eine spezifische Religion gebunden ist. Die mesopotamische Praxis war weniger abstrakt und universell, sondern stark in den religiösen und politischen Kontext des alten Mesopotamien eingebettet (z. B. die Rolle des Königs als Mittler zwischen Göttern und Menschen).
- Breiteres Divinationssystem: Die mesopotamische Himmelsdeutung war Teil eines umfassenden Divinationssystems (bārûtu), das auch Leberorakel, Träume oder andere Omen umfasste. Selbst wenn Planeten als göttliche Entitäten betrachtet werden, war die Himmelsdeutung nur ein Teil dieses Systems, während Mundanastrologie (auch in Cornelius’ divinatorischer Sicht) ein spezifisches System ist, das sich ausschließlich auf Himmelsereignisse konzentriert. Diese breitere Einbettung unterscheidet die mesopotamische Praxis von der modernen Mundanastrologie.
- Unterschiedliche Rolle der Archetypen: In der archetypischen Astrologie sind Planeten universelle Prinzipien, die psychologische oder kollektive Muster repräsentieren (z. B. Saturn als Struktur/Grenze). In Mesopotamien waren die göttlichen Assoziationen der Planeten spezifischer und oft mit konkreten Ereignissen oder Göttern verbunden (z. B. Ištar/Venus mit Liebe, aber auch Krieg). Die mesopotamische Symbolik war weniger abstrakt und universell als die moderne archetypische Deutung, was eine direkte Gleichsetzung erschwert.
- Historische und terminologische Trennung: Die Mundanastrologie, selbst als göttliche Divination oder archetypisches System, ist ein Produkt der hellenistischen Tradition, die mesopotamische, ägyptische und griechische Einflüsse kombinierte. Die mesopotamische Omen-Deutung beeinflusste zwar diese Entwicklung, wurde aber nicht direkt in die astrologische Tradition übernommen. In der Forschung wird sie als „astrale Divination“ oder „omen-based astronomy“ kategorisiert, um sie von der späteren Astrologie zu unterscheiden, selbst wenn Planeten als göttliche oder archetypische Prinzipien betrachtet werden.
3. Reinterpretation unter der Perspektive von 2025
Wenn Planeten im Jahr 2025 als göttliche Entitäten oder Archetypen verstanden werden, könnte die mesopotamische Omen-Deutung als eine frühe Form der Mundanastrologie interpretiert werden, insbesondere im Sinne von Cornelius’ divinatorischem Ansatz. Die Parallelen sind stark: Beide Systeme sehen Himmelskörper als Symbole göttlicher oder archetypischer Bedeutung, die im Moment der Deutung für kollektive Ereignisse relevant werden. Die mesopotamische Praxis, in der Planeten als göttliche Zeichen für Kriege oder Ernten gedeutet wurden, passt gut zu einer Mundanastrologie, die Planeten als archetypische Prinzipien für gesellschaftliche Prozesse betrachtet.
Allerdings bleibt die Klassifizierung als „erste Mundanastrologie“ problematisch, weil:
- Methodische Unterschiede: Die mesopotamische Praxis fehlt die systematischen astrologischen Techniken (z. B. Tierkreis, Aspekte), die auch in einer archetypischen oder divinatorischen Mundanastrologie verwendet werden.
- Historische Diskontinuität: Die moderne Mundanastrologie, selbst als göttliche Divination oder archetypisches System, ist ein Produkt der hellenistischen Synthese, nicht eine direkte Weiterentwicklung der mesopotamischen Praxis.
- Kontextuelle Einbettung: Die mesopotamische Himmelsdeutung war Teil eines größeren religiösen und divinatorischen Systems, während Mundanastrologie ein spezifisches, abgrenzbares System ist, auch wenn es symbolisch oder divinatorisch verstanden wird.
4. Fazit
Wenn Mundanastrologie im Sinne von Cornelius’ göttlicher Divination verstanden wird und Planeten 2025 als göttliche Entitäten oder archetypische Prinzipien betrachtet werden, gibt es starke Parallelen zur mesopotamischen Omen-Deutung. Beide Systeme deuten Himmelskörper als Symbole für kollektive Ereignisse, betonen die kontextuelle Interpretation und sind nicht-deterministisch. Die mesopotamische Praxis könnte als „Proto-Mundanastrologie“ angesehen werden, da sie göttliche oder archetypische Bedeutungen von Planeten für kollektive Ereignisse nutzte. Dennoch wird sie nicht als „erste Mundanastrologie“ klassifiziert, weil sie keine astrologischen Techniken wie den Tierkreis verwendete, in einen spezifischen religiösen Kontext eingebettet war und Teil eines breiteren Divinationssystems war. Die historische und methodische Trennung in der Forschung sowie die Entwicklung der Mundanastrologie in der hellenistischen Tradition machen die mesopotamische Praxis zu einer Vorform, aber nicht zur direkten Vorläuferin der Mundanastrologie, selbst unter dieser Perspektive.
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